Hardly any impact on language use – or does it?

Hardly any impact on language use – or does it?

Das Gendern betrifft in Pressetexten weniger als ein Prozent aller Wörter. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie des Instituts für Deutsche Sprache (IDS) in Mannheim. Für das Forscherteam um die Germanistikprofessorin Carolin Müller-Spitzer stellt dieser niedrige Wert wesentliche Argumente der Gendergegner infrage. Die Kritik, das Gendern mache Texte länger und komplizierter und erschwere das Verstehen und Erlernen der deutschen Sprache, verliert nach Ansicht der Autoren viel von seiner Überzeugungskraft.

Grundlage der Studie bildet eine Sammlung von 261 Texten aus den vergangenen zwanzig Jahren. Zum größten Teil handelt es sich um Meldungen und Berichte der Deutschen Presse-Agentur (DPA). Zudem wurden Artikel aus den Magazinen „Brigitte“, „Zeit Wissen“ und „Psychologie Heute“ einbezogen. Das gesamte Korpus ist eine Zufallsstichprobe aus insgesamt 2,3 Millionen Texten. Die IDS-Linguisten ließen sich von der Frage leiten, wie stark die Texte umgeschrieben werden müssten, um sie gendergerecht zu machen. Dafür wurden in jedem Text alle Wörter identifiziert, die zu diesem Zweck zu ändern wären. Erwartungsgemäß stehen generisch gebrauchte maskuline Substantive (die Anwohner, die Kinobesucher) im Fokus. Gezählt wurden aber nicht nur sie, sondern auch die sie begleitenden Artikel, Adjektive oder Pronomen, sofern sie umgewandelt werden müssten.

Der niedrige Durchschnittswert von einem Prozent hat allerdings nur begrenzte Aussagekraft. Er kommt zustande, weil zur ausgewerteten Textsammlung auch Artikel gehören, in denen generische Maskulina inhaltlich bedingt kaum oder gar nicht vorkommen. Das ist der Fall, wenn Autoren über einzelne Personen oder über unpersönliche Themen wie die Inflationsrate oder die neuesten Smartphonemodelle schreiben oder wenn sie geschlechtsneutrale Ausdrücke mit unveränderlichem Genus (Mensch, Person) benutzen. In einem Drittel der Korpustexte gab es aus diesen Gründen nichts zu gendern. Umso höher muss demzufolge der Genderanteil in Texten ausfallen, in denen Personengruppen wie Wähler, Patienten oder Arbeitnehmer im Mittelpunkt stehen. Immerhin zehn Prozent aller Ausdrücke, die sich auf Personen beziehen, müssten der Studie zufolge geändert werden.

Politisch getriebene Komplikationssteigerung

Erst in personenbezogenen Texten dieser Art kommen die Komplikationen des Genderns zum Tragen. Nur an ihnen ließen sich die Auswirkungen auf den Schreibfluss und die Lesbarkeit sinnvoll untersuchen. Dabei müssten auch noch viele andere Textsorten unter die Lupe genommen werden, beispielsweise die Schreiben, die Behörden, Verbände, Gewerkschaften und Unternehmen den Bürger/innen, Kolleg*innen und Kund:innen senden.

Die Autoren der Studie gehen davon aus, dass in den von ihnen untersuchten Texten nicht schon gegendert wurde. Um das sicherzustellen, haben sie nur DPA-Texte einbezogen, die vor 2021 erschienen sind, denn in diesem Jahr erließ die Agentur Richtlinien zum „gendersensiblen“ Sprachgebrauch. Das garantiert nun allerdings nicht, dass nicht auch in den linguistisch analysierten DPA-Texten ebenso wie in den untersuchten Zeitschriften schon gegendert wurde. Eine Überprüfung von Artikeln aus „Zeit Wissen“ zeigt, dass dort spätestens seit 2010 Paarformen (Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler) und substantivierte Partizipien wie Forschende oder Studierende zur Umschiffung des generischen Maskulinums verwendet werden.

Die Botschaft der IDS-Studie, die Kritik an den sprachlichen Auswirkungen des Genderns sei stark übertrieben, wird durch die empirischen Ergebnisse am Ende nicht gedeckt, entspricht aber der Tendenz der Autoren, etwa ihrer Auffassung, das generische Maskulinum marginalisiere Frauen und andere Genderidentitäten. Die Wissenschaftler berufen sich dafür auf psycholinguistische Studien, ohne zu erwähnen, dass deren empirischer und methodischer Wert stark umstritten ist. Eingriffe in die grammatischen Strukturen werden weichgezeichnet: Wenn die Autoren behaupten, Gendersymbole würden bei Pluralformen problemlos funktionieren, gilt das allenfalls für Ausdrücke wie Arbeiter/innen. In Zeug:innen oder Kund:innen zersplittert das Wort in zwei unselbstständige Fragmente – einen Stamm ohne Genus und Numerus und eine amputierte feminine Pluralendung. Dass das Deutsche in der politisch getriebenen Komplikationssteigerung zur Weltmeister:insprache geworden ist, verdankt es dem Gendern.

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