Der Deutsche Schwimm-Verband (DSV) hat angekündigt, im kommenden Jahr durch „notwendige Änderungen“ in seinen Regelwerken das „Recht auf sicheren Schwimmsport“ zu garantieren. Das teilte der Verband am Mittwoch mit. Anlass war der Abschlussbericht der „unabhängigen Aufarbeitungskommission zu Sachverhaltskomplexen interpersonaler Gewalt im deutschen Schwimmsport“.
Die Kommission war vom Verband nach Ausstrahlung einer ARD-Dokumentation im August 2022 zum jahrelangen Missbrauch des Wasserspringers Jan Hempel durch dessen Trainer beauftragt worden. Ihr gehörten die Soziologinnen Fabienne Bartsch und Bettina Rulofs, die Juristin Caroline Bechtel und der Jurist Martin Nolte an, die alle an der Deutschen Sporthochschule in Köln tätig sind. Ihr nicht veröffentlichter Abschlussbericht umfasst 120 Seiten, öffentlich gemacht wurde nun eine 19 Seiten lange Kurzfassung.
Schon die vom Verband versandte Pressemitteilung verdeutlicht bestehenden Handlungsbedarf im deutschen Schwimmsport: „Die Strukturen in manchen untersuchten Fällen luden Personen mit Tatabsichten dazu ein, Machtmissbrauch zu begehen, ohne entdeckt zu werden“, wird Bettina Rulofs zitiert. Die Kommission empfehle die „umfassende Überarbeitung des Disziplinarrechts“ einschließlich strengerer Meldepflichten, systematische Sensibilisierung für interpersonale Gewalt und einheitliche Verfahren zur Prävention und Ahndung sexualisierter Gewalt.
„Recht auf sicheren Schwimmsport“
Zudem habe die Kommission festgestellt, dass in einigen deutschen Schwimmhallen auch in der Gegenwart mit problematischen Trainingsmethoden gearbeitet werde. „Moderne, partizipative Methoden“ seien „noch nicht flächendeckend“ etabliert. Der DSV sollte „dringend“ prüfen, an welchen Stützpunkten und in welchen Vereinen weiter „gewaltförderliche Strukturen“ fortwährten, sagte Bettina Rulofs demnach. Die Unversehrtheit und das Wohlergehen von Athletinnen und Athleten müssten „zweifelsfrei“ nach vorne gestellt werden.
Für den Trainingsbetrieb sollte der DSV das Modell einer „gläsernen Schwimmhalle“ verfolgen. „Besonders bei den Sachverhaltskomplexen mehrfachen Kindesmissbrauchs, die von der Kommission in den Blick genommen wurden“, heißt es in der Kurzfassung des Berichts, „waren die abgeschotteten Trainings- und Wettkampfsituationen mit dafür verantwortlich, dass Gewalt über lange Zeiträume gegenüber Kindern und Jugendlichen stattfand und unbemerkt blieb.“
Der DSV kündigte ein „umfassendes Schutzkonzept für den Schwimmsport an“, Präsidium und Vorstand haben demnach mit Blick auf die Mitgliederversammlung des Verbands am 30. November einen „Recht auf sicheren Schwimmsport“ betitelten Leitantrag erarbeitet. Es bedürfe eines Bewusstseinswandels, zitiert der DSV seinen im April ins Amt gewählten Präsidenten David Profit, für den Sportler und Trainer die „Schlüsselrolle“ zukomme. Bei ihnen wie auch bei Vereinsvorständen herrsche „große Verunsicherung“. Daher sollten ein „Leitbild für den Leistungsschwimmsport“ und eine „No-Go-Liste unerwünschter Verhaltensweisen“ erarbeitet und im kommenden Jahr „praktikable Lösungen“ beschlossen werden.