Markus Eisenbichler ist „genervt“, Karl Geiger wähnt sich „beim Dressurreiten“, selbst der so besonnene Bundestrainer Stefan Horngacher runzelt die Stirn. Eine neue Regel sorgt vor dem Saisonstart am Freitag für mächtig Stunk im Kreise einiger Akteure des Skisprung-Weltcups. Weil die Sprungrichter künftig bei einer unsauberen Landung drei statt wie bisher zwei Punkte abziehen sollen, herrscht Aufruhr.
„Ganz ehrlich: Ich finde total bescheuert, was sich die FIS da wieder hat einfallen lassen. Da kann ich auch nicht mehr still sein, weil ich einfach die Geduld verliere“, sagt der siebenmalige Weltmeister Eisenbichler. Zimmerkollege Geiger hatte die neue Regel zunächst gar nicht mitbekommen. „Das wurde in irgendeinem Kämmerchen beschlossen. Du stehst dann da und denkst: ‚Hä, wieso?‘”.
Im Mai hatte der Weltverband FIS verkündet, der Telemark-Landung wieder mehr Gewicht geben zu wollen. Heißt: Bei einer „gekachelten“ Landung fällt der Abzug von der Höchstnote 20,0 künftig größer aus als bisher. Das erstaunte, schließlich hatte der Stil zuletzt eine immer kleinere Rolle gespielt. Erste Stimmen hatten gar gefordert, nur noch die reine Weite zu messen. Doch die FIS ging den Weg in die andere Richtung – und schaut nun noch genauer auf die Landung.
Trainer Horngacher diplomatischer
Erstmals im Weltcup zum Einsatz kommt die Regel am Freitag (16.15 Uhr in der ARD und bei Eurosport) beim Mixed-Wettkampf in Lillehammer. Eisenbichler fürchtet, dass gute Flieger ihre Sprünge dann nicht mehr ausreizen. „Denn wenn du weit fliegst und den Telemark versaust, kann es sein, dass du nicht auf dem Podest bist. Das ist einfach nicht fair“, sagt der Bayer.
Horngacher drückte sich etwas diplomatischer aus. Er habe die alte Regel „okay“ gefunden, sagte der Bundestrainer, die neue sei „sehr, sehr verschärft“. Horst Hüttel, Sportdirektor im Deutschen Skiverband, reihte sich in die Reihe der Kritiker ein: „Man will ja weite Sprünge sehen. Aber irgendwann ist es einfach verdammt schwer, einen Telemark zu zeigen.“ Die neue Regel hätte es „meiner Meinung nach nicht gebraucht“, so Hüttel.
Geiger befürchtet zudem zu viel Spielraum bei der Punktevergabe. „Wir sind ja nicht im Eiskunstlauf oder Dressurreiten. Sondern wir wollen, dass der weiteste und beste Sprung gewinnt“, sagt der Olympia-Dritte von 2022. Natürlich gehöre „der Stil zum Skispringen dazu“, aber die Gewichtung sei zu stark verschoben.
Und Andreas Wellinger? Der aktuell wohl beste deutsche Skispringer kann der neuen Regel auch Positives abgewinnen. „Das Schöne wird mehr honoriert, das Schlechte mehr bestraft. Das finde ich gut“, sagt der Bayer, der für seinen stilistisch sauberen Flug bekannt ist.
Denn auch das gehört zur Wahrheit: Gerade Wellinger könnte von der Änderungen profitieren. Es war daher wohl nur halb im Scherz gemeint, als DSV-Coach Horngacher zum Abschluss seiner Ausführungen lachend anfügte: „Vielleicht können wir so ja die Tournee gewinnen – über die Landung.“