Eine halbe Stunde nach Schlusspfiff öffnet sich die Tür des Leverkusener Kabinentrakts, Patrik Schick blickt heraus, immer noch in Spielkleidung, er hat eine Trinkflasche in der linken Hand, die er kurz darauf leert, und einen der Spielbälle in der rechten.
Der Mittelstürmer von Bayer 04 Leverkusen wartet auf seine beiden Kinder, Victoria (4 Jahre) und Nico (3) sprinten kurz darauf ihrem Papa entgegen und herzen ihn. Besonderes Lob für eine besondere Leistung. Denn Schick hat im Spiel zuvor, beim 5:2-Erfolg gegen Heidenheim, drei Tore geschossen. Der Ball ist die traditionelle Trophäe für drei erzielte Treffer in einer Partie, die er mit nach Hause nehmen kann, ein herrliches Spielzeug für Victoria und Nico.
Ein Hattrick also für Schick, allerdings keiner, den Fußball-Professoren als lupenrein bezeichnen würden, weil er seine drei Treffer nicht in einer Halbzeit ablieferte. Aber die zweite Forderung an einen Lehrbuch-Hattrick erfüllte Schick dann doch: er traf dreimal in Serie. Und auf besondere Art und Weise. Ein Tor erzielte er mit links, zuvor tauchte er frei vor Heidenheims Torhüter Kevin Müller auf und überlistete ihn mit einem feinen Heber. Es war das 2:2 in der 32. Minute, der Double-Sieger hatte zunächst 0:2 zurückgelegen.
Das 3:2 erzielte Schick mit dem rechten Fuß im Fünfmeterraum nach einer scharfen Flanke von Florian Wirtz (52.). Und zum 4:2 traf er mit dem Kopf (71.), geflankt hatte Arthur, ein junger Brasilianer, der ähnlich wie Schick eine lange Phase der Rekonvaleszenz durchlebt hat.
Links, rechts, Kopf – das ist die komplette Palette, die ein Torjäger zeigen kann. „Es war ein perfekter Nachmittag mit einem Sieg und einem Hattrick für mich“, sagte Schick nach der Partie, „es könnte nicht besser sein“. Der 28-Jährige hat eine lange Verletztenmisere hinter sich, eine hartnäckige Adduktorenverletzung setzte ihm sehr lange zu. Die Leidenszeit begann vor zwei Jahren. In der Folge verpasste er sehr viele Spiele und brachte es im Double-Jahr von Bayer 04 nur auf 20 Bundesliga-Einsätze, in denen ihm allerdings sieben Tore gelangen. Vor Beginn dieser Saison war Schick schmerzfrei und fit wie seit Jahren nicht mehr, doch sein Trainer Xabi Alonso setzte auf Victor Boniface als Mittelstürmer. Für Schick blieb nur die Rolle des Jokers.
Nun profitiert er von der Oberschenkelverletzung seines Konkurrenten Boniface. Vor der Länderspielpause erhielt Schick bereits einmal den Vorzug vor dem Nigerianer und traf prompt beim 1:1 in Bochum. Und als nun selbst gesetzte Nummer eins im Sturmzentrum legte Schick gegen Heidenheim nach. „Ich freue mich sehr für ihn, dass er dieses Gefühl aus diesem Spiel mitnimmt. Am Samstag hat er seine Qualitäten gezeigt, seine Tore waren top“, bilanzierte Leverkusens Trainer Xabi Alonso.
Arbeit an Fitness
Schick verzichtete im November auf die Reise zu seiner tschechischen Nationalmannschaft. Er wollte stattdessen in Leverkusen nach Rücksprache mit seinem Nationaltrainer Ivan Hasek weiter an seiner Fitness arbeiten. „Jetzt kann ich sagen, es war eine gute Entscheidung“, sagte Schick am Samstag.
Gegen Heidenheim war es vor allem der Tscheche, der eine in der Anfangsphase schläfrige Leverkusener Mannschaft aus ihrer Lethargie befreite. Zuletzt gab es in der Liga gegen Stuttgart, in Bremen und in Bochum drei Unentschieden in Serie, in der Champions League musste Bayer 04 ein 0:4 beim FC Liverpool hinnehmen. Die Erfolgsmaschine aus der Vorsaison hatte sich in eine launische und wechselhafte Mannschaft der Gewöhnlichen verwandelt.
Lob von Xhaka
Die obendrein noch neben Boniface weitere Verletzte aufweist, die Offensivspieler Amine Adli und Jonas Hofmann zum Beispiel, am Samstag kamen noch Jeremie Frimpong und Martin Terrier hinzu. „In dieser Situation war es sehr wichtig, dass wir nun endlich mal wieder gewonnen haben“, sagte Granit Xhaka, der eindeutige Anführer in Leverkusen. Der Nationalspieler der Schweiz lobte am Samstag die Qualitäten von Schick: „Wenn man ihn braucht, ist er da. In der Box ist er eine Macht. Er braucht nicht allzu viele Chancen, um ein Tor zu erzielen.“ Er hoffe, dass Schick gerade angesichts der angespannten Personallage „weiter trifft. Denn er ist brutal wichtig für uns.“
In dieser Saison kam Schick bisher neunmal zum Einsatz, sieben Mal wurde er spät im Spiel eingewechselt, erst gegen Bochum debütierte er in der Startelf. Bei einer solchen Bilanz fehle zwangsläufig der Rhythmus, sagte Xhaka: „Es ist nicht so einfach, mit so wenigen Spielminuten auf das Niveau zu kommen, das du schon einmal hattest.“ Und das war in der Tat hoch. Bei der EM 2021 erzielte Schick fünf Tore, in seiner bisher erfolgreichsten Leverkusener Saison, 2021/22, traf er 24-mal in 27 Einsätzen, woraufhin ihn sein Sportdirektor Simon Rolfes lobte: „Patrik hat absolute Weltklasse auf seiner Position nachgewiesen.“ Diese Einschätzung war die Basis für die lange Laufzeit von Schicks Vertrag: Er ist noch bis Ende Juni 2027 an Bayer Leverkusen gebunden. Nun befindet er sich wieder im Flow.