Die Europäische Union will Sanktionen gegen China verhängen, weil aus dem Land erstmals Waffen an Russland zum Einsatz gegen die Ukraine geliefert wurden. Wie drei Quellen der F.A.Z. bestätigten, hat der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell die EU-Staaten vor einem Treffen der Außenminister am nächsten Montag über entsprechende Geheimdiensterkenntnisse informiert und Konsequenzen gefordert. Die Beweise seien „überzeugend“ und belegten die „Lieferung letaler Unterstützung“, sagte ein leitender EU-Diplomat am Freitag.
„Wir sollten uns nun den gesamten Werkzeugkasten ansehen“, sagte der Diplomat, den die EU zur Verfügung habe, einschließlich neuer Listungen, die zu Geschäftsverboten mit chinesischen Unternehmen, Vermögens- und Einreisesperren führen. Man müsse aber auch direkt mit China sprechen und ihm klar machen: „Ihr habt immer gesagt, dass Ihr neutral sein wollt. Ihr seid nicht neutral.“ China engagiere sich auch nicht für den Frieden: „Ihr füttert die Bestie.“ Eine weitere Quelle sagte, dass die europäische Reaktion davon abhänge, wie China auf die Erkenntnisse reagiere. Die Debatte über Sanktionen sei noch in einem frühen Stadium.
Die Quellen wollten nicht auf Details der Geheimdiensterkenntnisse eingehen. Der leitende Diplomat verwies jedoch auf „sehr ernste“ Berichte der Nachrichtenagentur Reuters. Diese hatte Ende September exklusiv darüber berichtet, dass ein Tochterunternehmen des staatlichen russischen Rüstungskonzerns Almaz-Antey namens Kupol in China eine neue weitreichende Kampfdrohne entwickelt und getestet habe und dort eine Massenproduktion für den Einsatz dieser Drohnen im Krieg gegen die Ukraine aufbauen wolle. Dies sei unter Beteiligung chinesischer Fachleute geschehen.
Ob es auch mit Wissen der chinesischen Regierung geschah, ist nicht klar. Man habe dafür keine klaren Beweise, sagte ein ranghoher EU-Beamter, und sei in dieser Sache in Kontakt mit chinesischen Behörden. Er fügte hinzu: „Es ist schwer vorstellbar, dass so etwas geschieht und die chinesische Regierung überhaupt nichts darüber weiß.“
Auch USA erwägen Sanktionen
Die neue Drohne Garpiya-3, kurz G3, kann gemäß dem Bericht einen Sprengsatz von 50 Kilogramm bis zu 2000 Kilometer weit transportieren. Reuters berief sich auf zwei Quellen eines europäischen Geheimdienstes und weitere Dokumente, darunter Kommunikation zwischen Kupol und dem russischen Verteidigungsministerium sowie Rechnungsbelege. Demnach wurden sieben militärische Drohnen aus China an das Hauptquartier von Kupol in der russischen Stadt Ischewsk geliefert, darunter zwei des Typs G3; Lieferdatum und Lieferant gehen aus den Belegen nicht hervor. Auch ist nicht bekannt, wo genau sich die Produktions- und Entwicklungsstätten in China befinden.
Kupol soll zudem avisiert haben, dass es binnen acht Monaten eine von China entwickelte Kampfdrohne mit dem Namen REM 1 herstellen könne, die eine Sprengladung von 400 Kilogramm befördern könnte und mit der US-Drohne Reaper vergleichbar sei. Außerdem gebe es Pläne für ein gemeinsames russisch-chinesisches Forschungs- und Entwicklungszentrum in der Sonderwirtschaftszone Kaxgar in der Provinz Xinjiang.
In Reaktion auf den Bericht zeigten sich die EU, die NATO und die USA schon Ende September alarmiert. Man erwarte Aufklärung von den chinesischen Behörden, sagte eine Sprecherin des Außenbeauftragten Borrell. Wenn die Berichte stimmten, würden sie belegen, dass China entgegen seiner offiziellen Haltung Russland letale Unterstützung leiste. Eine NATO-Sprecherin nannte die Informationen „sehr beunruhigend“. Ein Sprecher des Nationalen Sicherheitsrats der USA sagte, dass man zwar keine Erkenntnisse über eine direkte Beteiligung der chinesischen Regierung habe, dass diese jedoch dafür verantwortlich sei, dass Unternehmen in China keine Waffen lieferten. Die USA erwögen daher eigene Sanktionen.