For Germany it works without Zverev

For Germany it works without Zverev

Daniel Altmaier schritt von der Platzmitte in Richtung Spielerbank. Seine Augen blickten zum dahinter befindlichen Teambereich, wo die Kollegen schier aus dem Häuschen waren. Altmaier suchte und fand Yannick Hanfmann, streckte seinen Arm aus. Der Ersatzspieler ergriff ihn und umarmte den lieben Kollegen, der den ersten Punkt für Deutschland gewonnen hatte.

Ein paar Stunden später am Mittwoch war Hanfmann auch einer der ersten Gratulanten von Jan-Lennard Struff, nachdem der Warsteiner das zweite Match im Viertelfinale gegen Kanada gewonnen und den ersten Halbfinaleinzug Deutschlands bei den Davis-Cup-Finals seit 2021 gesichert hatte. Damit lebt der Traum vom ersten Davis-Cup-Finale seit 31 Jahren. Damals gewann das DTB-Team im alten prestigeträchtigen Format im Finale 1993 gegen Australien mit Michael Stich als alles überragendem Spieler im Einzel und Doppel.

„In diesem Format brauchen wir jeden Mann“

Die Situation bei den Finals 2024, dem Turnier der besten acht Nationen des Jahres, ist in Málaga eine völlig andere. Spitzenspieler Alexander Zverev hatte seine Teilnahme mit Blick auf den zu langen Turnierkalender abgesagt. Wie bereits des Öfteren in den vergangenen Jahren ist der Star eine ausgeglichene, homogene Mannschaft, bei dem der langjährige Kapitän Michael Kohlmann dennoch schwierige Entscheidungen treffen muss – wie im Falle von Hanfmann.

Der Dreiunddreißigjährige, die Nummer 95 in der Weltrangliste, hatte zusammen mit Maximilian Marterer im September in der Gruppenphase groß aufgespielt. Antreten musste das Team in China, wohin der Weltverband ITF das Event vergeben hatte. Die in der Weltrangliste besser gestellten Zverev, Struff, Dominik Koepfer und Altmaier standen aus unterschiedlichen Gründen nicht bereit. Die Ersatzspieler gewannen souverän gegen die Slowakei und Chile.

„Sie sind der Grund, warum wir uns überhaupt für die Finals qualifiziert haben und jetzt im Halbfinale stehen“, sagte Struff, der wie so oft im Davis Cup auftrumpfte und die kanadische Spitzenkraft Denis Shapovalov entnervte. Den dramatischen Tiebreak des entscheidenden Satzes beendete der Kanadier mit einem Doppelfehler. Zuvor hatte Altmaier Gabriel Diallo in zwei engen Sätzen besiegt. Weil die Begegnung beim Stand von 2:0 entschieden war, musste das Doppel Kevin Krawietz/Tim Pütz nicht mehr antreten und erhielt nach dem kräftezehrenden Titelgewinn bei den ATP-Finals in Turin eine Pause.

Altmaier war bereits der fünfte Einzelspieler, den Michael Kohlmann in dieser Davis-Cup-Saison einsetzte. In der ersten K.o.-Runde im Februar im ungarischen Tatabánya hatte Koepfer, der wieder Probleme an der Schulter hat, neben Struff für einen wichtigen Punkt gesorgt. Im Herbst 2023 hatte Altmaier mitgeholfen, dass das Team in Bosnien-Hercegovina nicht absteigt. „Diese Saison hat wieder gezeigt, dass wir in diesem Format jeden Mann brauchen“, sagte Kohlmann nach dem Sieg über Kanada.

Der Kapitän muss flexibel agieren, ist die Saison über kommunikativ gefordert und trifft unangenehme Entscheidungen wie jene, trotz zuvor toller Leistungen auf Marterer zu verzichten. „Das gehört zu meinem Job dazu. Ich kann mir nicht immer nur die Rosinen herauspicken. Maxi Marterer hat das komplett mitgetragen. Das ist ein großes Plus dieses gesamten Kaders“, sagte Kohlmann im Advantage-Podcast. „Am Montag habe ich mit den Spielern kommuniziert, wer hinter Jan-Lennard Struff an zwei spielt, damit der Spieler Zeit hat, sich vorzubereiten, und der Ersatzmann Zeit erhält, mit dem Frust umzugehen“, erklärte Kohlmann in Málaga.

Hanfmann wird die Rolle als Ersatzspieler wohl auch wieder am Freitag vorbildlich einnehmen, wenn es von 17 Uhr an (live bei DAZN/Tennis Channel) gegen die Niederlande um den Finaleinzug geht. Altmaier gehört mit seinen 26 Jahren in diesem Team die Zukunft.

„Oranje“ hatte am Dienstag mit dem Sieg über Spanien vor 9000 frenetischen Fans überraschend für das Karriereende von Rafael Nadal gesorgt. „Sie sind ein extrem schwierig zu spielender Gegner“, sagte Kohlmann. Auch Struff warnte vor einem „kompletten Team“: „Sie haben auch ein unglaublich gutes Doppel.“

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