Rundum zufrieden nicht. Aber wir sind sehr zufrieden mit der Laufzeit des Tarifvertrags: Wir hatten 27 Monate gefordert und 25 sind es geworden. Die IG Metall hätte ja sogar nur zwölf Monate gewollt und dafür 7 Prozent mehr Lohn, um danach gleich wieder verhandeln zu können. Jetzt sind es in zwei Schritten 5,1 Prozent als Tabellenerhöhung und 0,4 Prozent als eine höhere Sonderzahlung. Die IG Metall hat schon Federn lassen müssen, wir auch – ein klassischer Kompromiss also.
Es muss ja viele Punkte gegeben haben, wo es geklemmt hat – sonst hätte es nicht die ganze Nacht gedauert. Wo war es am schwierigsten?
Also erst mal: Am einfachsten war die Einigung mit Blick auf die Azubis, die künftig 140 Euro mehr pro Monat bekommen. Azubis sind wichtig. Wir haben in Deutschland 2,7 Millionen junge Leute ohne Ausbildung. Das sollte sich ein hoch entwickeltes Land nicht leisten. Am schwierigsten war die Differenzierung, also die Möglichkeit, bestimmte Sonderzahlungen zu verschieben oder sogar zu streichen, wenn es einem Betrieb schlecht geht. Da tut sich die IG Metall schwer. Für uns war das aber wichtig, auch dass wir das Volumen dieser Differenzierungsmöglichkeit noch einmal erhöhen. Das war lange, lange sehr umkämpft.
Der Abschluss ist von den Tarifpartnern aus Bayern und von der Küste ausgehandelt worden und gilt zunächst auch nur in diesen Bezirken. Ist dieser Tarifvertrag aus Ihrer Sicht für die Branche in ganz Deutschland tauglich?
Ja. Wir haben einen Übernahmebeschluss unseres tarifpolitischen Vorstands, und der war auch einstimmig. Alle Verbände waren daran beteiligt.
Wo könnte es denn am ehesten Probleme geben, das Ergebnis zu verdauen?
Der Automobil- und Zuliefererindustrie geht es aktuell gerade im Vergleich zu früher besonders schlecht. Da werden womöglich einzelne Unternehmen sagen: Das verkraften wir nicht. Deshalb gibt es die sogenannte Differenzierung.
Dieser Abschluss ist ein Signal dafür, dass die Sozialpartner ein gemeinsames Verständnis über die wirtschaftliche Lage haben und über die notwendigen Bedingungen vernünftige Kompromisse finden können. Es war lang, zäh und mühsam – aber das ist richtungsweisend.
Hört sich so an, als würden Sie der Politik Nachhilfe in Sachen Verhandlungen anbieten?
Wenn man sich massiv anstrengt und Ideologie und Dogmatik ablegt, kann man zu vernünftigen Kompromissen kommen. Ich finde, was in Berlin gerade abläuft, ist blamabel. Die Regierung funktioniert nicht mehr. Aber das Parlament hat eine große Machtfülle und sollte sie nutzen. Ich verstehe nicht, wenn man nicht versucht, drängende Probleme zu lösen. Nehmen wir zum Beispiel das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz, wo doch alle einig sind, dass es schlecht ist – das könnte der Bundestag jetzt aussetzen. Für weitere Maßnahmen müsste man sich einfach zusammenraufen.
Was fordern Sie denn von einer künftigen Regierung mit Blick auf den Standort?
Niedrigere Energiekosten, die Deckelung der Sozialabgaben auf maximal 40 Prozent, niedrigere Unternehmensteuern, Bürokratieentlastung. Schnellere Genehmigungsverfahren für unsere Investitionen. Und wir müssen das Land attraktiver machen für junge Leute, die zu uns kommen wollen.
Das Land soll attraktiver werden. Was meinen Sie damit konkret?
Da gehört eine Einkommensteuerreform dazu. Wenn ein junger indischer IT-Spezialist die Wahl hat, in der Schweiz zu arbeiten mit einem Spitzensteuersatz von 36 Prozent oder bei uns mit 48 Prozent Spitzensteuersatz, stellt sich doch natürlich die Frage, warum er zu uns kommen sollte. Es geht auch um ausländerrechtliche Bedingungen, man kann noch nicht einmal einen Visumantrag für Deutschland digital stellen. Warum aber sollte sich eine hoch qualifizierte Fachkraft in unseren Auslandsvertretungen in die Schlange stellen und um ein Visum betteln? Da ist viel versäumt worden, lange schon. Das ist nicht nur eine Sache der Ampelregierung.
Blicken wir noch einmal auf die Tarifrunde. Da war erstmals ein Tandem zugange, Verhandlungsführer von der Küste und aus Bayern haben gemeinsam gerungen. Das wird nun allseits gelobt. Man fragt sich, ob man die Tarifverhandlungen nicht ohnehin gründlich renovieren könnte.
Das Regionalitätsprinzip werden wir nicht aufgeben, auch die Gewerkschaft nicht. Aber es zeigt sich jetzt, dass man das Verfahren auch grundsätzlich verbessern kann. Die Welt verändert sich auch stetig. Jede Tarifrunde ist anders. Das Verfahren und das Ergebnis dieser Tarifrunde überzeugen mich.