An Spektakeln und Inszenierungen mangelt es in der Formel 1 gewiss nicht. So etwas aber hat selbst dort noch niemand erlebt: Bei einer großen Show in London anlässlich des 75-jährigen Bestehens der Rennserie sollen vor der neuen Saison im Februar des kommenden Jahres alle zwanzig Fahrer und jeder Rennwagen in der neuen Lackierung präsentiert werden, dazu sollen Justin Bieber, Peter Kay und Madonna auftreten und eine Show der Extraklasse bieten.
70 Euro und mehr werden für die Tickets verlangt, die Veranstaltung, die von der selben Agentur inszeniert wird wie schon die Rückkehr der Formel 1 nach Las Vegas, wird via Livestream in die Welt hinaus gesendet. „Ich hoffe“, sagte nun Weltmeister Max Verstappen, „ich bin in der Woche krank.“
Sport und Entertainment sind nicht mehr zu trennen
Aussagen wie diese von den Hauptdarstellern der Rennserie sind nicht ungewöhnlich. Immer wieder machte nicht nur Verstappen seinem Unmut über das Turbo-Marketing der Formel 1 in den vergangenen Jahren Luft. Die Netflix-Doku „Drive to survive“ boykottierte Verstappen anfangs, weil ihm das, was er da sah, zu sehr dramatisiert schien. Und weil er im Grunde nur eines will: Gas geben. Längst aber ist auch Verstappen Teil der Netflix-Doku, er hat eingesehen, dass er in ihr als Weltmeister nicht fehlen kann.
Die Formel 1 legte in den vergangenen Jahren nicht nur auf der Rennstrecke ein enormes Tempo vor und hat so ein wahnsinniges Wachstum erzielt. Die Formula One Group, die die Rennserie kommerziell verwertet, hat inzwischen eine Marktkapitalisierung von rund 20 Milliarden Dollar (rund 19 Milliarden Euro) und zählt demnach zu den 1000 wertvollsten Unternehmen der Welt. Tendenz steigend. Anders und vor allem früher als die Verantwortlichen jeder anderen Sportart haben die Macher der Rennserie verstanden, dass Sport und Entertainment nicht mehr zu trennen sind. Dass Youtube, Instagram und TikTok ein must have sind und Millionen aus den arabischen Staaten noch nie ein no go waren.
So haben sich bisher all jene getäuscht, die das Ende der Formel 1 eher früher als später nahen sahen: Umweltschützer oder Menschenrechtsorganisationen etwa. Der Erfolg der Formel 1 bedeutet nicht, dass ihre Kritik unberechtigt war oder ist. Die Marktmacht der Formel 1 und ihre Popularität aber sind – wenn auch nicht in Deutschland – inzwischen so groß wie niemals zuvor. Daraus ergibt sich mehr denn je eine Verpflichtung. Hier muss nicht gleich wieder von einem Friedensbotschafter oder Weltverbesserer die Rede sein. Ein Anfang wäre schon gemacht, wenn Fahrer wie Verstappen nicht nur sagen, worauf sie keinen Bock haben, sondern auch für das einstehen, was nicht nur in ihrer Vollgaswelt wirklich wichtig ist.