Seine Meinung über die da oben frei heraussagen zu dürfen zählt zu den unschätzbaren Vorzügen der demokratischen Staatsform. In einer idealen Welt geschieht das in angemessener Form, im besten Falle höflich. Aber so sind die Menschen nicht, schon gar nicht die Deutschen. Anders als die Briten empfinden sie gerade das Ungehobelte als Ausdruck von Ehrlichkeit. Was sich früher an den Stammtischen und in geschlossenen Räumen abspielte, bildet sich heute im Netz ab, denn fast jeder kann mittlerweile die Plattform X bedienen. Das erweckt den Eindruck, das Volk sei außer Rand und Band, voller „Hass und Hetze“.
Ob es wirklich schlimmer geworden ist, lässt sich schwer messen. Auch vor der Erfindung sozialer Medien schossen Bürger über das Ziel hinaus. Wo Gesetze verletzt wurden, wurde immer eingegriffen, aber Politiker, die Beleidigungen ertragen mussten, hielten sich früher mehr auf ihr dickes Fell zugute. Dass Helmut Kohl – auch wegen seiner Kopfform – von Grünen und Linken als „Birne“ verspottet wurde, wäre heute vermutlich ein Bodyshaming-Skandalon. Der Kanzler ließ sich nicht zum Opfer machen und verteilte Aufkleber mit „I like Birne“.
Polizei im Morgengrauen
Natürlich gab und gibt es Grenzen. Wo Drohungen formuliert werden oder Aufforderungen, tätlich gegen Geschmähte vorzugehen, hört der Spaß auf. Der Rechtsstaat wurde zu Recht angerufen, als kürzlich der SPD-Bundestagsabgeordnete und Impfpflichtbefürworter Döring als „Dr. Mengele“ verunglimpft wurde und die AfD-Politikerin Weidel als „Nazi-Drecksau“. Aber muss die Staatsgewalt morgens um sechs ausrücken, wenn ein Rentner ein Kabinettsmitglied mit einem harmlosen Schimpfwort belegt?
Dieser Text stammt aus der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung.
In the search warrant that the police placed on the kitchen table of the astonished delinquent in Burgpreppach, Franconia at dawn, he was able to read that he had “defamed” the German Minister of Economic Affairs and “made his work as a member of the federal government more difficult.” In fact, the man had distributed a photo montage in which Robert Habeck – in a parodic reference to the hairspray company Schwarzkopf – was called an “imbecile”.
Habeck has no control over how proportionately the law enforcement authorities investigate individual cases, and he may also be overwhelmed by keeping track of the more than 800 criminal complaints that he has now filed as minister. His party colleague Annalena Baerbock is experiencing a similar situation, whose more than 500 criminal complaints did not only affect dangerous enemies of the state. Most recently, a Bavarian entrepreneur who had put up satirical posters against the Greens in his garden fought back and at least managed to get a court to instruct the Foreign Minister about the fundamental right of freedom of expression.
With a little magnanimity, the green desire to advertise can be viewed as a final reconciliation with the constitutional state, which was long decried as a cop state. Even when the Greens already had representatives, their leader Fischer still called the President of the Bundestag an asshole in the plenary hall – and the party rubbed its hands and grinned. Today Habeck, the “candidate of the people,” trembles when one of them dares to mock him online. How different it was back then with Pear: When Kohl was thrown an egg at by an angry East German in Halle in 1991, he ran towards him in anger, but in the end accepted an apology and refrained from filing a complaint.