Herr Busch, viele Menschen dürften die Zeit gerade als besonders belastend empfinden: Kriege, Regierungskrise, in den USA wurde mit Donald Trump ein Mann als Präsident wiedergewählt, den nicht wenige als Gefahr für die Demokratie sehen. Privat leiden viele Menschen unter hohen Mieten und gestiegenen Lebenshaltungskosten. Sehen Sie da als Psychiater noch einen Grund zur Zuversicht?
Ich war schon immer ein zuversichtlicher Mensch und bin es auch jetzt. Das muss ich ja auch von Berufs wegen sein: Als Psychiater kommen ja Leute zu mir, weil sie Zuversicht brauchen. Aber natürlich mache auch ich mir Sorgen um die Weltverhältnisse. Ich bin aber der Überzeugung, dass vieles in der Welt deutlich besser kommt, als man glaubt. Wir sind häufig Opfer unserer überzogenen Befürchtungen.
Am Beispiel von Trump könnte natürlich eine Lesart kann sein: Oh Gott, was bringt dieser Mann wieder für eine Unruhe in die Welt? Das will ich auch gar nicht klein reden. Aber das bedeutet dennoch nicht den Untergang der abendländischen Kultur. Wir haben schon vier Jahre Erfahrung mit Trump, und wir werden es auch diesmal schaffen. Wir wissen, was auf uns zukommt, und wissen, wie wir ihn nehmen müssen.
Also sollten wir nicht in Pessimismus verfallen?
Nein. Es gibt Studien, die zeigen, dass es in einem Großteil der Fälle in unserem Leben besser kommt als befürchtet. Sei es bei partnerschaftlichen Problemen, sei es bei gesundheitlichen Krisen und auch bei Verhältnissen, die die Welt anbelangen. Weil wir Menschen dem, was passiert, nicht hilflos und passiv ausgesetzt sind, sondern weil wir uns den Dingen stellen und sie aktiv gestalten. Leider neigen wir dazu, in der Zukunft nur die Probleme zu sehen, und nicht die Lösungen. Es gehört aber zu den Stärken der Spezies Mensch, dass wir Probleme und Herausforderungen bewältigen können. Das gilt auch, wenn wir zu Trump zurückgehen: Vieles von dem, wovor wir uns jetzt sorgen, können wir abwenden oder zumindest abschwächen.
Mit vielen derzeitigen Krisen geht ein Gefühl von Unsicherheit einher. Wie können wir damit umgehen?
Als erstes rate ich immer, in der Situation anzukommen. Wenn Menschen mit unliebsamen Situationen hadern, ist das ein signifikanter Stressfaktor. Im Fall von Trump müssen wir durchatmen und uns klar machen: Mit diesem Mann müssen wir jetzt vier Jahre auskommen. Eine solche Form radikaler Akzeptanz gilt auch für Probleme im persönlichen Bereich, wie eine Krebserkrankung oder Hochwasser im Keller. Wenn wir mit Herz und Hirn in der Krise ankommen, dann beruhigt sich unser Stresssystem, denn unser Geist wird klar. Im Anschluss können wir kreativ werden und Lösungen finden.
Im zweiten Schritt sollte ich mich von meinen Ängsten etwas distanzieren oder sie zumindest kritisch hinterfragen: Ist das, wovor ich mich fürchte, belegt? Stimmt es? Oder redet mir hier nur jemand Angst ein? In den Medien und auch in den sozialen Netzwerken wird häufig dramatisiert, und wir übernehmen diese Ängste. Wir machen sie unreflektiert zu unseren eigenen. Davor sollte man aufpassen.
Also versuchen wir erst einmal, Distanz zu gewinnen.
Genau. Manche unserer Ängste werden sich bei dieser Reflexion bestätigen, auch das gehört zur Wahrheit. Aber für 80 Prozent unserer Sorgen im Alltag gilt das nicht. Die schwächen sich oft ab, wenn wir sie hinterfragen und erkennen: Ganz so schlimm wird’s vermutlich gar nicht. Es geht darum, übertriebene, medial entfachte Hysterie zu erkennen und Ängste zu normalisieren.
Würde es da nicht helfen, keine Nachrichten mehr zu lesen?
Ich empfände es als Ohnmachtserklärung, auf Nachrichten komplett verzichten zu müssen, nur um nicht krank von ihnen zu werden. Das kann keine Lösung sein. Informationen sind etwas Wertvolles, die freie Presse ist zudem ein grunddemokratisches Prinzip. Aber wir können kritischer lesen: Nicht nur die Headlines, in denen komplexe Sachverhalte nicht dargestellt werden können. Schlagzeilen, die wir in drei Minuten an der Straßenbahnhaltestelle lesen, wühlen uns nur auf und lassen uns dann mit unseren Emotionen allein. Stattdessen sollte man sich Zeit für einen guten Artikel nehmen, ihn zu Ende lesen und zum Beispiel mit dem Partner darüber diskutieren.
Wie kann ich verhindern, dass ich abends grübelnd im Bett liege?
Beschäftigen Sie sich nicht unmittelbar vor dem Schlafen gehen mit Nachrichten. Lesen Sie lieber etwas Leichtes, blättern in einem Fotoalbum oder konsumieren Sie etwas anderes, das Ihnen Freude macht und Sie runterbringt. Am meisten hilft übrigens, vor dem Einschlafen etwas Handwerkliches zu tun – malen, basteln, stricken, solche Sachen. Wenn wir abends etwas mit den Händen gestalten und der Geist nicht mehr so hyperaktiv ist, fließt negative Energie ab. Deswegen kritzeln wir auch häufig bei stressigen Telefonaten auf Notizzettel. Es beruhigt uns. Als Folge dessen kann man besser einschlafen.
Das heißt aber nicht, dass wir Krisen völlig ausblenden sollten, oder?
Nein! Aber wir sollten sie erst einmal ohne Emotionen betrachten. In unserer Gesellschaft bewerten wir heutzutage vieles: Jeden Artikel, jedes Hotel, jedes Sanifair-Klo hat am Ausgang eine Bewertungsstation. Wir haben uns beigebracht, allem einen emotionalen Stempel aufzudrücken. Aber das hindert uns an der Suche nach Lösungen. Wenn ich überzeugt bin, dass wir die Klimakrise nicht aufhalten können und alles ganz schlimm kommt, werde ich passiv. Das gilt umgekehrt auch für toxischen Optimismus: Wenn ich denke, die Klimakrise wird sich schon lösen, werde ich ebenfalls passiv. Aber wenn wir etwas vorsichtiger sind mit unseren emotionalen Urteilen, können wir oft viel neutraler auf die Angelegenheiten schauen, und wir beginnen, in Möglichkeiten zu denken.
Was können wir tun, wenn wir merken, dass die Emotionen gerade Überhand nehmen?
Erst einmal Abstand nehmen von Nachrichten und Menschen, die uns mit ihren Ängsten aufwühlen und anstecken. Es gibt eine ganze Reihe an Techniken, um den Körper etwas runterzufahren, zum Beispiel die Tiefenatmung: Für ein paar Minuten atmen Sie ganz langsam über die Bauchdecke. Der positive Effekt auf die Stresszentren in unserem Gehirn lässt sich übrigens nachweisen. Das gelingt auch durch Yoga oder Meditation. Zehn Minuten können schon reichen.
In Ihrem Buch „Kopf hoch“ beschreiben Sie auch Heiterkeit als wichtiges Mittel, um mental stark zu bleiben. Wie gelingt uns das, wenn uns so gar nicht nach Lachen zu Mute ist?
Um heiter zu sein, muss man gar nicht aus sich herausgehen und laut lachen. Es geht darum, das Komische in Situationen zu finden. Das Leben hat ganz viele leichte Momente, die sich jeden Tag ereignen. Die Kunst ist, sie wahrzunehmen. Dafür kann hilfreich sein, wenn wir uns alle weniger ernstnehmen. In unserer Gesellschaft wird häufig verlangt, dass alles gelingen, alles perfekt und hocheffizient sein muss, und zwar nicht nur beim Vorgarten, sondern auch beim Aussehen, beim Beruf und bei der Lebensplanung. Unter diesen Umständen können Krisen uns schnell aus der Bahn werfen, weil unsere überhohen Erwartungen ans Leben nicht erfüllt werden. Auch hier hilft es, mal einen Schritt zurückzutreten und eine andere Perspektive einzunehmen. Mit etwas Abstand und aus einem anderen Blickwinkel kann man oft über sich selbst lachen. Die wichtigste Überschrift im Leben ist nicht, dass uns alles gelingt, sondern dass es irgendwie weitergeht.