Die strukturelle Überforderung, der Spitzenpolitiker ausgesetzt sind: ausgesetzt dem ständigen Gefühl, sich selbst hinterherzulaufen statt sich endlich einmal vor sich selbst bringen zu können; ausgesetzt dem Zwang, in Windeseile auf Dinge zu reagieren, die in dieser Windeseile wiederum nur als Oberflächenphänomen wahrgenommen und nicht in ihren Proportionen durchdrungen werden können; ausgesetzt schließlich der Déformation professionelle, die Dinge der anderen, der politischen Konkurrenz, nicht wohlwollend auf ihre Stärken hin, sondern missgünstig auf ihre Schwächen hin zu lesen.
Ist es da ein Wunder, dass sich die Gratifikation, die psychische Vergütung der Handelnden nicht von dem Betriebsinneren her ergibt, das einem über den Kopf wächst, sondern aus der Coolness, mit welcher man in diesem ganz normalen Wahnsinn die Nerven behält? Mehr noch: darin sich selbst und anderen zeigt, dass man den unbegriffenen Laden zwar im Griff hat (wehe, wenn nicht), die Geschäfte aber eigentlich nur nebenbei führt, mit leichter Hand, ohne die üblichen betrieblichen Verklemmungen. Das heißt in einer Weise, die sich erkennbar nicht von diesen Geschäften konsumieren lässt, vielmehr die Nichtidentität zwischen eigenem Geschäft und eigener Person beständig zu signalisieren weiß, ob im Sprechen, Aussehen oder sonstigem Sichgeben, alles Bräsige und Biedere in sich abschüttelnd, als sei es das Böse selbst.
Niemand ist uncooler als Sie, Herr Scholz!
Richtig, bislang sprach man da von Coolness. Cool war jemand, der seine Geschäfte von einem jenseits dieser Geschäfte liegenden opaken Raum heraus betreibt, den Laden von einem Außen her lenkt, das für Außenstehende nicht einsehbar den Nimbus des Coolen ausmacht. Selbstverständlich ist die Coolness dabei kein Attribut, das man sich selbst zuschreiben könnte, es steht und fällt vielmehr damit, dass von anderen eine coole Fremdzuschreibung vorgenommen wird.
Gegen diese kühle Regel der Coolness verstieß Olaf Scholz, als er sich selbst für „etwas cooler“ hielt, „wenn es Staatsangelegenheiten betrifft“, als seinen Herausforderer Friedrich Merz. Woraufhin Markus Söder im Bundestag zu Protokoll gab: „Ich kenne keinen, der uncooler in Deutschland ist als Sie, lieber Herr Scholz“. Was wiederum Christian Lindner veranlasste, das Angebot von Sandra Maischberger, den ehemaligen Finanzminister cool zu finden („So cool sind Sie?“), im Blick auf Scholz zurückzuweisen: „Das Wort cool hat seit dem vergangenen Sonntag einen neuen Klang.“
Uns ist somit nicht nur die Ampel abhanden gekommen. Sondern Scholz ruinierte auch den von ihm usurpierten Begriff einer Lässigkeit, die als Coolness nun mal nichts Aufgesetztes ist. Sie bezeichnet in besagtem ganz normalen Wahnsinn die affektive Grundströmung, derentwegen und aus der heraus zu leben lohnt.