Als die Islamistenallianz „Hay‘at Tahrir al-Scham“ (HTS) ihren Eroberungszug gegen die nordsyrische Großstadt Aleppo führte, gab es eine klare Aufforderung des Anführers: Seine Leute sollten sich benehmen, die Bevölkerung sollte wie ihr Besitz geschützt werden, erklärte Abu Muhammad al-Golani.
Die Anordnung passt ins Bild, denn Golani versucht schon länger, sich als geläuterter Dschihadistenführer zu präsentieren, der sich zu einem syrischen Anführer gewandelt hat. Seine 2017 gegründete Islamistengruppe steht jetzt an der Spitze der Offensive gegen das syrische Regime, die den Namen „Abschreckung der Aggression“ trägt.
Der Siegeszug ist erst einmal gebremst worden, das Regime und seine Alliierten haben eine Gegenoffensive angekündigt. Golani ist der Herrscher über die syrische Nordwestprovinz Idlib. Seine HTS-Allianz, deren Name sich als „Komitee zur Befreiung Großsyriens“ übersetzen lässt, ist aus einer mit Al Qaida verbündeten Gruppe namens Nusra-Front hervorgegangen. Von dem dschihadistischen Terrornetz hat sich Golani öffentlich losgesagt. Seine Leute präsentieren sich inzwischen in Anzügen, reden der wirtschaftlichen Entwicklung, Infrastrukturmaßnahmen und öffentlichen Dienstleistungen das Wort. Der HTS-Anführer selbst, der nach wie vor auf der US-Terrorliste geführt wird, ist sogar schon in Jeans aufgetreten.
„Golani versucht sich als eine Art sunnitischer Hassan Nasrallah zu etablieren“, sagt der syrische Politikberater Malik al-Abdeh. Wie der Anführer der libanesischen Schiitenorganisation wolle er zugleich eine religiöse Führungsperson sein, Vaterfigur für die eigene Klientel, syrischer Politiker und Partner ausländischer Mächte.
Widerwillen in der Bevölkerung
Nicht allen Kräften innerhalb der Gruppe gefällt die öffentliche Abkehr vom radikalen Islam. In der Bevölkerung von Idlib herrscht Widerwillen gegen den brutalen HTS-Sicherheitsapparat, der auch vor Folter nicht zurückschreckt, um Kritik und Widerstand zu unterdrücken. Ein Gutteil der dort lebenden Menschen ist nicht bereit, die Assad-Diktatur, gegen die sie sich erhoben hatte, gegen eine HTS-Autokratie einzutauschen. In Idlib hatte es über Monate Proteste gegeben.
Auch innerhalb der bewaffneten Gruppen der Assad-Gegner hat die militärisch gut organisierte und schlagkräftige Islamistenallianz Feinde. Immer wieder hatte es in der Vergangenheit bewaffnete Grabenkämpfe gegeben. Für die jetzige Offensive gegen Assad haben sich in einer gemeinsamen Operationszentrale HTS-Brigaden mit anderen arabischen Milizen zusammengetan, die teils früher zu ihren Rivalen zählten, sich aber zuletzt an Golani angenähert haben.
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These new partners in the fight against Assad are rebel groups from a pro-Turkish umbrella organization called the Syrian National Army (SNA). According to Malik al-Abdeh, they have received massive shipments of arms and ammunition from Turkey in recent months. “HTS is trying to maintain a certain distance from Ankara. It insists on maintaining contacts through the Turkish secret service in order to limit influence.” In many regions of northern Syria where SNA rebel militias dominate, the Turkish government is omnipresent, people are paid in Turkish currency and there are Turkish post offices.
But the hand of Turkish sponsors does not reach into the SNA’s areas of influence everywhere. There are also areas where militias behave like criminal gangs and terrorize the population. While the HTS-led rebels put pressure on the regime in Aleppo and Hama province, SNA militias launched another offensive: Operation Dawn of Freedom. This is directed not only against the regime in areas east of Aleppo, but also against the autonomous government in northeast Syria, which is dominated by Kurdish forces. Their cadres and fighters of the “People’s Defense Forces” (YPG) are closely linked to the PKK organization. They are therefore considered enemies of Türkiye.
The YPG, under the banner of the “Syrian Democratic Forces,” had established itself as an important partner of Washington in the war against the jihadists of the “Islamic State.” At the same time, they expanded their area of influence. Over the weekend, images of SNA militiamen celebrating in Tell Rifaat were circulated. Kurdish irregulars took control of the city in 2016, whose residents had been harassed by both IS and Russian air strikes.