In der Ukraine ist die Reise von UN-Generalsekretär António Guterres zum BRICS-Gipfel in Kasan auf scharfe Kritik gestoßen. In einer Erklärung des ukrainischen Außenministeriums hieß es, Guterres schade dem Ruf der Vereinten Nationen, indem er „die Einladung des Kriegsverbrechers Putin“ angenommen habe: „Das ist eine falsche Entscheidung und bringt die Sache des Friedens nicht voran.“ Die Ukraine wies darauf hin, dass Guterres eine Einladung der Ukraine zum sogenannten Friedensgipfel in der Schweiz im Juni nicht angenommen hatte.
Ein UN-Sprecher wies die Kritik an der Reise zurück: Der Generalsekretär nehme an dem Gipfeltreffen in Kasan an der Wolga ebenso teil, wie er das beim BRICS-Gipfel in Johannesburg im vergangenen Jahr getan habe und dies bei den Treffen der G-7- und G-20-Staaten tue. Es sei „Standard“, dass der UN-Generalsekretär die Sitzungen von Organisationen mit einer großen Zahl von UN-Mitgliedstaaten besuche. Die BRICS-Gruppe habe große Bedeutung für die Arbeit der Vereinten Nationen, da in ihren Mitgliedstaaten fast die Hälfte der Weltbevölkerung lebe. In den kremltreuen russischen Medien wurde die Reise von Guterres nach Russland als diplomatischer Erfolg für den Kreml gewertet. Die Sprecherin des russischen Außenministeriums bezeichnete die Kritik aus der Ukraine als „Hysterie des Kiewer Regimes“.
Guterres soll an diesem Donnerstag mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin zusammentreffen. Laut dem Kreml soll es bei dem Treffen um die Kriege in der Ukraine und im Nahen Osten gehen. Ein Sprecher des EU-Außenbeauftragten Josep Borrell sagte, die EU erwarte von Guterres, dass dieser Putin dränge, seine Truppen „unverzüglich und bedingungslos aus dem ukrainischen Hoheitsgebiet zurückzuziehen“.
Putin hält die Eröffnungsrede
Der letzte Besuch von Guterres in Russland fand am 26. April 2022 im Rahmen einer von den UN so bezeichneten „Friedensmission“ zwei Monate nach dem russischen Überfall auf die Ukraine statt. Die ukrainische Führung hatte damals die Reiseroute von Guterres kritisiert, der zuerst Moskau und dann Kiew besuchte. Während seines Gesprächs mit Putin sagte Guterres vor zweieinhalb Jahren, er habe Verständnis für russische Bedenken zum Geschehen in der Ukraine und zur europäischen Sicherheit und verstehe Moskaus „Unzufriedenheit“. Doch solle Russland dieser Unzufriedenheit über Instrumente der UN-Charta abhelfen. Die Invasion der Ukraine sei nicht mit der Charta zu vereinbaren. Während des anschließenden Besuchs von Guterres in Kiew beschossen russische Truppen die ukrainische Hauptstadt.
In Kasan begannen am Dienstag die Arbeitssitzungen des Gipfels der Organisation, der neben den namensgebenden Mitgliedern Brasilien, Russland, Indien und Südafrika inzwischen auch Ägypten, Äthiopien, Iran und die Vereinigten Arabischen Emirate angehören. In seiner Eröffnungsrede bezeichnete Putin die Organisation als Gruppe Gleichgesinnter, die durch „gemeinsame Werte und Weltsicht“ zusammengehalten würden. Als Gruppe „souveräner Staaten, die verschiedene Kontinente, Entwicklungsmodelle, Religionen, eigenständige Kulturen und Zivilisationen repräsentieren“, übten sie einen „positiven Einfluss“ auf die globale Stabilität und Sicherheit aus und leisteten einen „gewichtigen Beitrag zur Lösung scharfer regionaler Probleme“.
Die Ukraine erwähnte Putin in seiner Ansprache nicht ausdrücklich, sie war aber nach Angaben seines Sprechers Gegenstand der bilateralen Gespräche, die Putin am Dienstag mit den angereisten Staats- und Regierungschefs geführt hat. Dabei habe der russische Präsident den Unwillen der Ukraine zu Friedensgesprächen und die für Russland positive Dynamik an der Front hervorgehoben. Viele der Gesprächspartner hätten sich bereit gezeigt, zur Regulierung des Konflikts beizutragen.