Kalter Wind weht über den Kunstrasenplatz in Zeppelinheim. Bei Nieselregen haben sich an diesem Sonntag nur eine Hand voll Zuschauer auf dem von kahlen Bäumen umgebenen Sportplatz eingefunden, um das Spiel des im Sommer neugegründeten SC Blau Weiß Neu-Isenburg gegen die dritte Mannschaft der Sport- und Sängergemeinschaft Offenthal zu verfolgen. Es ist eine trostlose Kulisse. Das ständige Rauschen, das die Autos auf der naheliegenden Bundesstraße 44 sowie die landenden Flugzeuge am Frankfurter Flughafen erzeugen, trägt nicht zu einer Besserung der Atmosphäre bei. In der Kreisliga C, der untersten Spielklasse im Fußballkreis Offenbach, sollte aber ohnehin keine außergewöhnliche Stimmung erwartet werden.
An der Seitenlinie des SC Blau Weiß Neu-Isenburg steht Mohamadou „Mo“ Idrissou im beigen, knielangen Mantel, die Kapuze auf dem Kopf. Er trägt teuer aussehende Jeans und Markenturnschuhe. Der 44 Jahre alte Kameruner und ehemalige Fußballspieler ist eine andere Kulisse gewohnt. Er hat während seiner Karriere in den großen Stadien in Deutschland gespielt und schnürte für Vereine wie Hannover 96, Eintracht Frankfurt und den 1. FC Kaiserslautern die Fußballschuhe.
Nach seiner Profikarriere, in der es ihn auch nach Israel, Nordmazedonien und Österreich gezogen hatte, kickte Idrissou noch bei verschiedenen Vereinen im Amateurbereich, ehe er seine Karriere 2021 beendete. Auch mit seinem Privatleben sorgte er immer wieder für Schlagzeilen, mit grellen Outfits erschien er auf roten Teppichen.
Idrissou ist kein Trainer, der brüllt und meckert
Was führt ihn also als Trainer in die Kreisklasse C? Jürgen Holzmann, Vorsitzender des im Sommer aus ehemaligen Spielern und Verantwortlichen der Spielvereinigung 03 Neu-Isenburg gegründeten Klubs, beschreibt es als einen „dummen Zufall“. Ein Spieler des Vereins kenne Idrissou privat und habe ihn überzeugt, bis zum Saisonende das Traineramt zu übernehmen. Für die Spieler von Blau Weiß Neu-Isenburg sei es auch etwas Besonderes. Laut Holzmann liegt die Teilnahme am Training bei fast 100 Prozent – kaum einer wolle eine Einheit mit dem ehemaligen Fußballspieler verpassen.
Ein Trainer, der brüllt, meckert und viele Anweisungen gibt, scheint Idrissou nicht zu sein. Im Spiel gegen die SUSGO Offenthal ruft er nur vereinzelte Instruktionen über den Platz. Die Betreuer und Spieler, die auf der Auswechselbank auf ihren Einsatz warten oder bereits spielen, sind lauter. Idrissou nimmt die Spieler eher zur Seite und redet in Ruhe auf sie ein, wenn sie etwas trinken oder eine Spielunterbrechung stattfindet.
Idrissou sagt im Gespräch mit der F.A.Z., dass er das Traineramt angenommen habe, um der Mannschaft Stabilität und Ordnung zu geben. Auf dem Platz läuft es für den Klub aber noch nicht perfekt. Mit 18 Punkten steht der Verein nach 17 Spielen auf Platz elf in der Kreisliga C – mit 79 Gegentoren haben sie eine der schlechtesten Defensiven der Liga. Im Spiel gegen die SUSGO Offenthal ist eines dieser Tore gefallen: Nach acht Minuten liegt die Mannschaft von Idrissou aufgrund eines Torwartfehlers bereits zurück, kann in der 38. Minute aber zum 1:1 ausgleichen – Endstand an diesem Sonntag.
Idrissou sagt nach dem Spiel, seine Blau Weißen hätten gewinnen können, weil genügend Chancen da gewesen seien. In erster Linie sei ihm aber wichtig, dass die Spieler Spaß hätten. Er selbst stand auch schon auf dem Platz und hat Anfang November in einem Spiel zwei Tore geschossen. Idrissou kann es also noch, das Toreschießen – verloren hat seine Mannschaft aber trotzdem 8:3. Dass er selbst spielt, soll die Ausnahme bleiben, erklärt Idrissou. Sein Fokus liege auf den Trainingseinheiten und den Spielen und dass die Mannschaft nach und nach besser werde.
Das erhofft sich auch der Vorsitzende Jürgen Holzmann, der sich in der kommenden Saison den Aufstieg in die Kreisliga B wünscht. Mo Idrissou wird dann wahrscheinlich nicht mehr an der Seitenlinie stehen. Seine Trainertätigkeit wird aber ein Highlight in der bis jetzt kurzen Vereinsgeschichte bleiben.