Am Sonntag steht mit Philadelphia Eagles gegen die Baltimore Ravens das Spiel an, auf das ich mich als Fan und Experte an diesem Wochenende meisten freue.
Zwei Teams, die in den letzten Wochen mit so viel Vollgas unterwegs waren, dass sie jeweils den Fuß schon in der Ölwanne hatten.
Die Ravens hatten in ihrer gut geölten Maschine rund um ihren Spielmacher Lamar Jackson vor zwei Wochen aber eine Fehlzündung. Und zwar sogar eine mit lautem Knall, als man sich mit 16:18 den Pittsburgh Steelers geschlagen geben musste. Die Steelers schafften es nicht nur den Angriff der Ravens zu stoppen, sondern auch die Partie ohne einen einzigen Touchdown ihrerseits zu gewinnen. Ein Spielverlauf, mit dem so definitiv zu rechnen war, und der den Eagles garantiert als Schulungsvideo für kommenden Sonntag dienen wird.
Die Eagles sind wieder da! Letzte Saison blieben sie teilweise hinter den eigenen und natürlich den Erwartungen ihrer Fans zurück. Die Seifenblase, der Traum von einer erneuten Super-Bowl-Teilnahme, zerplatzte viel zu früh. Mit dem Ende der letzten Spielzeit schlug die Stunde von Howie Roseman. Der General Manager zauberte ein absolutes Ass aus dem Ärmel, als er verkündete, dass sich die Eagles mit Running Back Saquon Barkley von den New York Giants auf einen Dreijahresvertrag geeinigt haben.
Barkley, der von den Giants 2018 mit dem zweiten Pick in der Draft ausgewählt wurde, und in seinem ersten Jahr durch seine Leistungen auch gleich zum Neuling des Jahres gewählt wurde, hatte in New York nur einen Wunsch: Einen Vertrag, der ihm ein seiner Leistung angemessenes Gehalt einbringen würde. Und dadurch eine Garantie auch im Falle einer Verletzung.
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Denn: Nach seiner Verletzung am vorderen Kreuzband im 2. Spiel der 2020er-Saison musste Barkley den Rest des Jahres aussetzen. Das merkte er natürlich auch an seinem Kontostand. Doch in New York stieß sein Wunsch auf taube Ohren. Das Management der Giants legte ihm sogar nahe, nachdem man sich gemeinsam nicht mal im Ansatz annähern konnte, sich ein neues Team zu suchen.
Ein Vorgang, den Barkley im Nachgang als „respektlos“ bezeichnete. So war es dann auch irgendwie kein Wunder, dass er sich ausgerechnet mit den Eagles für einen direkten Rivalen seines ehemaligen Arbeitgebers entschied. Die Eagles brachten ihm nicht nur die richtige Portion Respekt entgegen, indem sie ihn zu einem der bestbezahlten Spieler auf seiner Position machten. Nein, sie gaben ihm auch die Garantie, die er sich wünschte. Ganze 26 seines 37,8 Millionen Vertrages sind garantiert. Die Giants dagegen gaben Running Back Devin Singletary einen Dreijahresvertrag über 16,5 Millionen.
Seit Barkley seinen erstes Play für die Eagles machte, war schnell klar, dass er mit einer Extraportion Motivation unterwegs ist. Um, durch oder über gegnerische Defensivespieler. Er signalisierte, dass es für ihn nur ein Ziel gibt: die Endzone des Gegners. 1392 Yards nach 12 Wochen zusammengelaufen zu haben, ist ein Statement. Wenn man noch seine gefangenen Bälle dazu rechnet, landet Barkley bei 1649. Singletary dagegen kommt auf lediglich 349 erlaufene Yards und 3 Touchdowns.
Was mich jedoch am meisten beeindruckt hat, ist, dass Barkley sich selbst nie in den Vordergrund stellt. Selbst als er zum allerersten Mal in seiner Karriere vor ein paar Wochen die magische 200 Yards in einem Spiel durchbrach, sagte er an der Seitenlinie immer wieder: „We did it!“
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Spieler, die den Teamgedanken leben, verstehen und bei dem Wort nicht an eine Abkürzung für „Toll, ein Anderer macht’s“ denken, werden in der heutigen Zeit immer seltener. Kein Wunder also, dass die O-Liner stets mit 110 Prozent unterwegs sind, wenn sie für Barkley den Weg freiräumen sollen.
Der Runningback der Eagles macht also das, was die damalige Werbung für den VW Käfer versprach: „Er läuft und läuft und läuft.“ Sollte er gegen die extrem starke Ravens-Defense erneut einen guten Tag erwischen und 108 Yards in Baltimore erlaufen, zieht er mit den Legenden Walter Payton, OJ Simpson und Jim Brown gleich. Somit würde er sich einen Platz in den Geschichtsbüchern sichern. Es scheint, als würde Superman jetzt grün tragen.
Doch das wird alles andere als ein Selbstgänger, denn die Ravens zu Hause sind eine echte Macht. Selbst mit einem Running Back unterwegs, der zwar einen völlig anderen Spielstil als Barkley an den Tag legt, aber ähnlich erfolgreich den Ball zu bewegen imstande ist. Und auch die Ravens erkannten ihre Chance als Derrick Henry nach seiner Karriere bei den Tennessee Titans eine neue Wirkungsstätte suchte. In seinem ersten Jahr in Baltimore legte er los, als sei der 30-Jährige in den Jungbrunnen gefallen.
Wie Barkley für die Eagles war auch Henry für sein Team das fehlende Puzzleteil, das die Offense sofort um Längen unberechenbarer und somit besser gemacht hat. Die Ravens erspielen mit ihrer Offense 426,7 Yards pro Spiel – erklommen somit den Thron der gesamten NFL.
Reisetagebuch von Carsten SpengemannDAS passiert hinter den Kulissen eines NFL-Teams
Mit einem funktionierenden und effektiven Laufspiel wird der Weg für das Passspiel frei. Und sowohl Eagles Quarterback Jalen Hurts als auch sein Gegenpart bei den Ravens Lamar Jackson sind beide mit einem Arm gesegnet, der tiefe aber auch präzise Würfe ermöglicht.
Doch es gibt einen kleinen aber feinen Unterschied zwischen den zwei Spielmachern. Das ist die atemberaubende Erfolgsquote von Lamar Jackson. 27 Touchdowns bei gerade mal 3 Interceptions sind Werte, die ihn zu Recht im Rennen auf den prestigeträchtigen Titel des „MVP“ – also den des wertvollsten Spielers – ganz nach vorne katapultiert haben.
Niemand Geringerer als ein gewisser Tom Brady bezeichnete Jackson zuletzt als „Radiergummi“. Der Fox-Experte erklärte: „Ich nenne ihn so, weil er einfach alles ausradiert, was bei schlechtem Football entsteht. Er verwandelt das, was für jeden anderen Quarterback ein negatives Spiel wäre, in ein weiteres First Down. Das ist großartig.“
Für die Eagles wird es auf zwei Dinge ankommen, wollen sie dem Favoriten im heimischen Stadion eine Niederlage verpassen. Superman Barkley muss schnell ins Spiel finden und mit seinen Läufen dafür sorgen, dass die Ravens so lange wie möglich an der Seitenlinie zum Zuschauen verdammt sind. Das wird gegen die gute Defense der Ravens mit Linebacker Roquan Smith und Odafe Oweh schon schwer genug, die andere Hälfte des Plans wird aber um Längen schwieriger und fällt in den Aufgabenbereich der Eagles-Verteidigung bzw. genauer gesagt der Secondary rund um die Rookies Cooper DeJean und Quinton Mitchell. Sollte es die Passverteidiger der Eagles schaffen, die Receiver Zay Flowers und Rashod Bateman als Anspielstationen für Jackson so gut wie möglich wegzunehmen, würde das den Eagles mehr als in die Karten spielen.
Vielleicht erleben die so leidenschaftlichen Fans des Teams aus Philadelphia ein Wunder, das wie in den guten alten Filmen rund um Herbie den Wunderkäfer mit einem Happy End endet.
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Über dieses Thema und alle anderen Spiele und News rund um das kommende Wochenende spreche ich natürlich mit meinem Kollegen Mike Stiefelhagen in der neuesten Folge unseres interaktiven NFL-Podcasts „Die Pille für den Mann“. Wem das noch nicht reicht, der bekommt noch mehr in YouTube-Format „Stoned Lack“.